Muss für ein teilweise demontiertes Fahrrad eine Fahrkarte gekauft werden? Oder kann das Fahrrad in einem solchen Fall einfach kostenfrei als Gepäckstück mitgeführt werden? Diese Fragen wurden kürzlich im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens geprüft. Erfahren Sie jetzt in unserem Kurzbericht, zu welchem Resultat die Schlichtungsstelle Reise und Verkehr e.V. gekommen ist.
Ein Fahrgast reiste im September 2024 mit dem Zug von Waldkirch nach Freiburg. Mit an Bord hatte er ein Fahrrad inklusive demontiertem Vorderrad, das aufgrund eines Schaltdefekts nicht mehr fahrtüchtig war. Der Passagier ging davon aus, dass das defekte Fahrrad als Gepäckstück zu werten sei und löste daher keine separate Fahrkarte. Während der Fahrt wies der Zugbegleiter ihn jedoch darauf hin, dass auch für ein nicht fahrtüchtiges, demontiertes Fahrrad eine Fahrkarte erforderlich ist. Der Aufforderung, ein erhöhtes Beförderungsentgelt in Höhe von 60 Euro zu entrichten, kam der Fahrgast nicht nach und erhielt zusätzlich eine Mahngebühr in Höhe von fünf Euro. Schließlich schaltete der Fahrgast die Schlichtungsstelle ein und beantragte, auf die Forderung zu verzichten.
Das Verkehrsunternehmen berief sich auf die geltenden Tarifbestimmungen, nach denen für Fahrräder eine Fahrkarte zu erwerben ist. Auch die Tatsache, dass das Vorderrad des Fahrrads abmontiert und das Fahrrad somit fahruntüchtig war, führte zu keinem anderen Ergebnis – insbesondere, da das abmontierte Vorderrad ebenfalls an Bord war.
Die Schlichtungsstelle hat die vom Fahrgast und dem Verkehrsunternehmen vorgetragenen Aspekte ausgewertet, gewürdigt und miteinander abgewogen.
Dabei berücksichtigte sie zugunsten des Fahrgastes insbesondere Folgendes: Der Fahrgast war offenbar der Ansicht, dass sein defektes Fahrrad als Gepäckstück zu werten sei und er daher keine separate Fahrkarte benötige. Dieses Missverständnis führte zur Erhebung des erhöhten Beförderungsentgelts. Da es sich um ein bislang einmaliges Vorkommnis handelte, sollte der Fahrgast nun hinsichtlich der entgeltlichen Mitnahme von Fahrrädern hinreichend sensibilisiert sein. Außerdem stellte die Schlichtungsstelle die Rechtmäßigkeit der Mahngebühren infrage.
Die eindeutige Regelung in den Tarifbestimmungen, wonach für Fahrräder eine Fahrkarte zu lösen ist, spricht zugunsten des Verkehrsunternehmens. Das erhöhte Beförderungsentgelt war somit grundsätzlich rechtmäßig. Dies gilt auch für (teilweise) demontierte Fahrräder, insbesondere wenn, wie hier, der Charakter eines Fahrrads noch zu erkennen ist. Lediglich in Ausnahmefällen, beispielsweise bei Falträdern, ist eine unentgeltliche Mitnahme erlaubt. Die Schlichtungsstelle kam jedoch zu dem Ergebnis, dass allein die Demontage des Vorderrads das Fahrrad noch nicht zu einem Faltrad machte. Auch die Fahruntüchtigkeit des Fahrrads änderte nichts an dessen Charakter.
Der Schlichtungsvorschlag (Reduzierung der Forderung auf 40,00 EUR sowie Verzicht auf die Mahnkosten) wurde von beiden Seiten angenommen: Das Verfahren konnte erfolgreich abgeschlossen werden.
Wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist, lohnt es sich, vorab einen Blick auf die Gepäckbestimmungen zu werfen, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Der Fall zeigt auch, dass es in der Schlichtung nicht allein um die Beantwortung einer Rechtsfrage geht. Unter dem Gesichtspunkt der Empathie berücksichtigt die Schlichtungsstelle auch die menschliche Seite des Konflikts und bezieht ebenso wichtige nicht justiziable Aspekte in ihre Ausführungen mit ein. Das Primat des Rechts bleibt dabei gewahrt. Wie Kulanzerwägungen aussehen und wie sie eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessen beider Parteien ermöglichen können, ist eine Frage des Einzelfalls. In jedem Fall muss sich der Fahrgast zuvor mit einer Beschwerde an das Verkehrsunternehmen gewandt haben. Weitere Informationen zum Schlichtungsverfahren finden Sie auf unserer Homepage: https://www.schlichtung-reise-und-verkehr.de/.
Geschäftsführerin:
Dr. Sabine Cofalla
Leiter der Schlichtungsstelle:
Dr. Christof Berlin
Amtsgericht Charlottenburg VR29041B
Fasanenstraße 81
10623 Berlin
Tel +49 30 6 44 99 33 – 0