Das europäische Netzwerk für Schlichtungsstellen im Bereich Reise und Verkehr (TRAVEL_NET) hat am 5./6. Juni 2025 bei seiner jährlichen Generalversammlung wichtige Empfehlungen zu aktuellen Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene ausgesprochen. Ein Fokus dabei ist die verpflichtende Teilnahme von Unternehmen an alternativen Streitbeilegungsverfahren (ADR).
Im Reise-Sektor kommt es überdurchschnittlich häufig zu Streitigkeiten zwischen Verbraucher:innen und Unternehmen. In vielen Ländern gibt es attraktive und etablierte Schlichtungsangebote. Trotzdem scheitert die Streitbeilegung oft an der mangelnden Mitwirkung der Unternehmen – insbesondere bei Fluggesellschaften und Reiseveranstaltern. Während die Passagier- und Reiserechte auf europäischer Ebene weitgehend harmonisiert sind, ist die Teilnahme von Unternehmen in diesem Sektor nur in wenigen Mitgliedstaaten gewährleistet.
In Deutschland sichert seit 2013 das Gesetz zur Schlichtung im Luftverkehr weitgehend erfolgreich die Teilnahme der Airlines am Schlichtungsverfahren. Dies führt bei der Schlichtungsstelle Reise & Verkehr nachweislich zu einer effizienten Streitbeilegung mit hohen Einigungsquote von bis zu 90% (siehe Jahresberichte).
Im Bereich der Pauschalreisen fehlt es hingegen auch in Deutschland noch an einer gesetzlichen Regelung. Daher forderte die Verbraucherschutzministerkonferenz der Länder den Gesetzgeber im Bund bereits 2023 auf, die Beteiligung von Reiseveranstaltern, Reisevermittlern und Anbietern von Reiseeinzelleistungen an der Schlichtung zu fördern und die tatsächliche Durchführung von Schlichtungsverfahren sicherzustellen. Bis jetzt hat der Bund diese Bitte aus den Ländern noch nicht aufgegriffen.
Aktuell werden auf EU-Ebene Reformen der Passagier- und Reiserechte diskutiert. TRAVEL_NET spricht sich dafür aus, die Änderungen der Fluggastrechte-Verordnung und der Pauschalreise-Richtlinie zu nutzen, um in diesen EU-Regelungen eine Verpflichtung zur Teilnahme an Schlichtungsverfahren für Unternehmen aufzunehmen. Entsprechend werden die aktuellen Vorschläge aus dem Europäischen Parlament begrüßt, die konkret eine verpflichtende Teilnahme von Fluggesellschaften und Reiseveranstaltern beinhalten. Dies könnte auch das Vertrauen von Reisenden in die Branche stärken.
Der Bedarf ist groß: Noch immer wenden sich viele Reisende an kommerzielle Inkassodienstleister („Claim Companies“), die teils bis zu 50 % der Entschädigungssumme einbehalten und durch ihre massenhafte Klageerhebung insbesondere die Amtsgerichte an den großen Flughäfen überlasten. Dies zeigt, wie dringend Verbraucher:innen auf niedrigschwellige und faire Alternativen angewiesen sind.
Eine EU-weite Regelung zur verpflichtenden ADR-Teilnahme im Reisebereich wäre ein wichtiger Schritt zu mehr Verbraucherschutz, einheitlichen Wettbewerbsbedingungen und effizienter Streitbeilegung. Den besonderen Stellenwert des Bereichs Luftverkehr und Tourismus haben nun auch der Rat und das Europäische Parlament ausdrücklich in ihrer Einigung zur Revision der ADR-Richtlinie am 26. Juni 2025 hervorgehoben: „Bei der Festlegung von Maßnahmen zur Förderung der Beteiligung von Unternehmen und Verbrauchern an alternativen Streitbeilegungsverfahren sollten die Mitgliedstaaten besonderes Augenmerk auf bestimmte Wirtschaftszweige richten, in denen die Beteiligung an alternativen Streitbeilegungsverfahren gering ist oder in denen die Zahl der Verbraucherbeschwerden hoch ist (z. B. Luftverkehr oder Tourismus).“
Weitere Informationen zu TRAVEL_NET finden Sie unter https://travelnet-adr.eu.
Geschäftsführerin:
Dr. Sabine Cofalla
Leiter der Schlichtungsstelle:
Dr. Christof Berlin
Amtsgericht Charlottenburg VR29041B
Fasanenstraße 81
10623 Berlin
Tel +49 30 6 44 99 33 – 0