Müssen Fahrgäste ein erhöhtes Beförderungsentgelt zahlen, wenn der Fahrkartenautomat defekt war und deshalb kein Fahrausweis erworben werden konnte? Diese Frage stand kürzlich im Mittelpunkt eines unserer Schlichtungsverfahren.
Zwei Fahrgäste reisten mit dem Zug von Hannover nach Frankfurt am Main. Gegen drei Uhr morgens versuchten sie, sowohl am Flughafen Hannover als auch am Hauptbahnhof Hannover Fahrkarten an den Automaten zu kaufen. Diverse Versuche schlugen jedoch fehl, da die Geräte immer wieder eine Fehlermeldung anzeigten. Auf Nachfrage am Informationsstand erhielten sie die Auskunft, die Automaten seien „alle naselang defekt“. Die Fahrgäste vermuteten, dass die Störungen möglicherweise mit einem vorangegangenen Streik zusammenhingen.
Während einer Fahrkartenkontrolle im Zug kurz vor Göttingen wurde bei beiden Passagieren schließlich ein erhöhtes Beförderungsentgelt sowie ein Zuschlag für die Weiterfahrt erhoben. Die Kontrollbelege enthielten den Hinweis, dass eine gemeldete Störung dokumentiert sei und der Sachverhalt geprüft werde.
Das Verkehrsunternehmen teilte schriftlich mit, dass an dem genannten Tag keine nachweisbare Störung an den Fahrkartenautomaten vorlag und forderte die Begleichung der offenen Beträge. Die Fahrgäste widersprachen unter Verweis auf die dokumentierte Fehlermeldung und boten die Zahlung des regulären Fahrpreises an.
In der Folge kam es zu Mahnschreiben unter Erhebung weiterer Mahnkosten in Höhe von 7,00 Euro sowie zur Ablehnung eines Kulanzangebots. Das Verkehrsunternehmen verwies insbesondere auf die seit dem 1. Januar 2022 gültige Regelung, dass im Fernverkehr Tickets vorab gekauft werden müssen, da ein Fahrkartenkauf im Zug nicht mehr möglich ist. Alternativ kann ein Ticket auch bis zehn Minuten nach Abfahrt über die firmeneigene App gekauft werden.
Zur Untermauerung ihrer Angaben reichten die Fahrgäste ein Foto eines Automaten mit Fehlermeldung ein, das jedoch weder Datum noch Uhrzeit enthielt.
Zunächst hat die Schlichtungsstelle die Angaben der Fahrgäste und des Verkehrsunternehmens geprüft und gegeneinander abgewogen. Dabei sprach einiges für die Fahrgäste: Am Startbahnhof Hannover Hauptbahnhof war nach ihrer Schilderung weder ein geöffneter Fahrkartenschalter noch ein funktionierender Automat zu finden. Alle getesteten Automaten zeigten dieselbe Fehlermeldung. Die Fahrgäste suchten nach eigener Aussage Hilfe beim Personal und dokumentierten die Störung. Offenbar war ihnen nicht bekannt, dass ein Ticketerwerb im Zug nicht mehr möglich ist.
Da es sich um einen einmaligen Vorfall handelt und die Fahrgäste bereits einen Teilbetrag bezahlt hatten, wertete die Schlichtungsstelle ihr Verhalten als entgegenkommend. Unter diesen Umständen könnte die ursprüngliche Forderung auf den regulären Flexpreis reduziert werden. Außerdem stellte die Schlichtungsstelle in Frage, ob die erhobenen Mahngebühren überhaupt gerechtfertigt sind.
Zugunsten des Verkehrsunternehmens spricht die gesetzliche Regelung, wonach Reisende bei Antritt einer Fahrt im Besitz eines gültigen Fahrausweises sein müssen. Die Fahrgäste konnten bei der Kontrolle jedoch keine Fahrkarten vorlegen. Somit war die Erhebung eines erhöhten Beförderungsentgelts grundsätzlich rechtmäßig. Dies beträgt das Doppelte des Fahrpreises, mindestens jedoch 60,00 Euro pro Person. Auch die zusätzliche Forderung für die Weiterfahrt ab dem Zeitpunkt der Kontrolle ist tariflich vorgesehen und nicht weiter zu beanstanden. Zwar machten die Fahrgäste eine technische Störung der Fahrkartenautomaten geltend, konnten dies jedoch nur mit einem Foto ohne Datums- oder Zeitnachweis belegen – ein Nachweis, der vor Gericht kaum Bestand hätte. Dass ein Fahrkartenkauf im Zug nicht mehr möglich ist, ist ebenfalls tariflich geregelt. Ein fehlendes Wissen der Fahrgäste darüber ist also nicht dem Unternehmen anzulasten. Unabhängig vom erhöhten Beförderungsentgelt schulden die Fahrgäste zumindest den regulären Fahrpreis. Schließlich sieht das Unternehmen für Mahnschreiben ein pauschales Entgelt von 7,00 Euro vor, das in den Beförderungsbedingungen klar geregelt ist.
Der Schlichtungsvorschlag lautete: Reduzierung der Forderung auf den Flexpreis für die Strecke Hannover – Frankfurt (Main) unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Teilzahlungen und Verzicht auf die darüber hinausgehenden Beträge, einschließlich Mahnkosten. Er wurde von beiden Seiten angenommen und das Verfahren konnte erfolgreich abgeschlossen werden.
Fazit
Der Fall zeigt, dass die Schlichtung über die rein rechtliche Bewertung hinausgeht. Zwar bleibt das erhöhte Beförderungsentgelt unter den gegebenen Umständen grundsätzlich berechtigt, doch werden im Rahmen der Schlichtung auch individuelle Umstände und das Verhalten der Beteiligten berücksichtigt. Die Schlichtungsstelle nimmt dabei eine vermittelnde Rolle ein und wägt rechtliche Vorgaben mit menschlichen Aspekten ab – etwa dem erkennbaren Bemühen der Fahrgäste, eine Fahrkarte zu erwerben. Das rechtliche Fundament bleibt unberührt. Ob und in welchem Umfang Kulanz gewährt werden kann, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass der Fahrgast den Dialog mit dem Verkehrsunternehmen zuvor selbst gesucht hat. Weitere Informationen zum Schlichtungsverfahren finden Sie auf unserer homepage unter: https://www.schlichtung-reise-und-verkehr.de/