Wenn der Hund (doch nicht) kostenlos mitfährt: Ein Beispielsfall aus unserer Schlichtungspraxis

Ein Fahrgast erkundigte sich vor Fahrtantritt, ob er seinen Hund kostenlos in der Straßenbahn mitnehmen darf. Auf der Internetseite des Verkehrsunternehmens fand er den Hinweis, dass „Hunde schwerbehinderter Menschen gemäß Sozialgesetzbuch (SGB IX)” kostenlos befördert werden. Dieser Hinweis entspricht den Beförderungsbedingungen.

Hund an Bord – eine folgenreiche Straßenbahnfahrt

Da der Fahrgast selbst schwerbehindert ist, ging er davon aus, dass er seinen Hund kostenlos mitnehmen darf. Also stieg er mit dem Tier in die Bahn, ohne vorher ein Ticket für den Hund zu kaufen.

Bei einer Fahrkartenkontrolle kam jedoch die Überraschung: Das Verkehrsunternehmen beanstandete, dass kein Fahrschein für den Hund vorlag, und verlangte ein erhöhtes Beförderungsentgelt von 60,00 Euro. Als Begründung wurde angeführt, dass der vorgelegte Schwerbehindertenausweis nicht die erforderliche orangefarbene Kennzeichnung aufweise.  Diese sei jedoch notwendig für eine unentgeltliche Mitnahme von Hunden.

Der Fahrgast fühlte sich dadurch ungerecht behandelt. Denn aus seiner Sicht war die Information auf der Website ja eindeutig. Er wandte sich daher an die Schlichtungsstelle und beantragte eine Überprüfung des erhöhten Beförderungsentgelts.

So reagierte das Verkehrsunternehmen

War das erhöhte Beförderungsentgelt tatsächlich rechtmäßig? Oder hätte der Fahrgast seinen Hund doch kostenlos mitnehmen dürfen? Sowohl der Fahrgast wie auch das Verkehrsunternehmen bezogen sich auf die gleiche Regelung, kamen aber zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen.

Der Fahrgast verstand die Regelung so, dass alle schwerbehinderten Menschen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB IX) ihre Hunde kostenlos mitnehmen dürfen. Demzufolge wäre also auch er zur kostenlosen Mitnahme seines Hundes berechtigt gewesen.

Das Verkehrsunternehmen sah es anders:  Es verwies auf eine spezielle gesetzliche Vorschrift (§ 228 Abs. 6 Nr. 2 SGB IX). Demnach darf ein Hund nur dann kostenlos mitgeführt werden, wenn der schwerbehinderte Mensch im Besitz eines Ausweises mit dem Merkzeichen „B“ ist – also mit dem Nachweis, dass er eine Begleitperson kostenlos mitnehmen darf. Da im Ausweis des Fahrgasts dieses Merkzeichen fehlte, sei ein Ticket für den Hund erforderlich gewesen.

Das ergab die Prüfung durch die Schlichtungsstelle

Die Schlichtungsstelle stellte fest, dass beide Lesarten mit dem Wortlaut der Regelung auf der Website vereinbar sind. In solchen Fällen greift ein rechtlicher Grundsatz: Wenn eine Regelung unklar ist, wird sie im Zweifel zulasten „des Verwenders“ ausgelegt, also zugunsten der Kundin oder des Kunden (§ 305c Abs. 2 BGB). Das bedeutet: Das Verkehrsunternehmen hätte klar und verständlich regeln müssen, in welchen Fällen Hunde kostenlos mitgenommen werden dürfen.

Die Schlichtungsstelle empfahl deswegen, auf die Forderung des erhöhten Beförderungsentgelts zu verzichten. Beide Seiten nahmen die Empfehlung an, so dass der Streit einvernehmlich beigelegt wurde.

Fazit

Dieser Fall veranschaulicht, dass ein Schlichtungsverfahren eine hilfreiche Möglichkeit sein kann, nicht nur rechtliche Fragen zu klären, sondern auch eine einvernehmliche Lösung für Konflikte zu finden. Das Verfahren ist für Verbraucher:innen kostenfrei und kann in vielen Fällen zur Klärung beitragen. Neben rechtlichen Aspekten bezieht die Schlichtungsstelle auch die persönliche Perspektive der Beteiligten mit ein.

In jedem Fall muss sich der Fahrgast zuvor mit einer Beschwerde an das Verkehrsunternehmen gewandt haben. Weitere nützliche Informationen zum Schlichtungsverfahren finden Sie auf unserer Website unter: https://www.schlichtung-reise-und-verkehr.de/